EU-Naturschutzabkommen: Parlament will mehr Artenschutz und Biodiversität, doch EVP macht Rückzieher

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Die EU-Umweltminister:innen haben sich auf ein Gesetz über die Wiederherstellung der Natur in Europa geeinigt. Das Renaturierungsgesetz soll die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt schützen. Denn durch die zunehmende Zerstörung der Lebensräume sterben immer mehr Tierarten aus. Darunter auch Bienen oder Hummeln, die Nutz- und Wildpflanzen bestäuben. Damit tragen sie einen wichtigen Teil zur Lebensmittelproduktion bei.  Doch kurz vor der Abstimmung im EU-Parlament hat die Europäische Volkspartei ihre Unterstützung für das Gesetz zurückgezogen.

In Europa sind etwa vier von fünf Nutz- und Wildpflanzenarten auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Das wird vor allem in der Lebensmittelproduktion deutlich: Bienen, Hummeln, Ameisen und Mücken tragen schätzungsweise 5 Milliarden Euro pro Jahr zur landwirtschaftlichen Produktion der EU bei. Bei manchen Kulturpflanzen macht der Beitrag der Bestäuber fast die Hälfte des Marktwertes aus. Allein deswegen ist der Schutz der natürlichen Lebensräume und der Artenvielfalt so wichtig. Im Grunde genommen hängt die Lebensmittelversorgung der EU davon ab. 

Das Renaturierungsgesetz sollte eigentlich das Artensterben und – im Rahmen des “Green Deals” – den Klimawandel stoppen. Doch im letzten Moment zog die Europäische Volkspartei (EVP) ihre Zustimmung zurück. Damit hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur mit 44 zu 44 Stimmen abgelehnt. Die endgültige Abstimmung folgt dann nächste Woche im Plenum. Wenn die EVP ihre Blockadehaltung bis dahin nicht aufgibt, wird das Gesetz höchstwahrscheinlich abgelehnt. 

Insektensterben bedroht die Lebensmittelversorgung in der EU, doch die EVP betreibt lieber Wahlkampf

Eine gesunde Natur trägt zur Gesundheit und zum Wohlbefinden aller bei. Und sie ist die Grundlage unserer Nahrungssicherheit. Doch das Insektensterben führt bereits heute dazu, dass rund die Hälfte aller Nutzpflanzen nicht mehr zuverlässig bestäubt werden. Die Wissenschaft, die Lebensmittelindustrie, die hauseigenen Expert:innen und zuletzt sogar der EU-Rechnungshof sprachen sich für das Gesetz aus. Umso unverständlicher ist der Rückzieher der EVP. Günther Sidl, SPÖ-EU-Abgeordneter, wittert Wahlkampf auf Kosten des Klimaschutzes:  

„Das Ergebnis der heutigen Abstimmung ist ein herber Rückschlag. Dass die ÖVP und die Europäische Volkspartei parteitaktische Manöver und Klientelpolitik über die Sachpolitik stellen, lässt ein Jahr vor den Europawahlen nichts Gutes für den Rest der Gesetzgebungsperiode vermuten.“”

Schutz und Wiederherstellung der Tier- und Pflanzenvielfalt und deren natürliche Lebensräume

Mit dem Naturschutzabkommen will die EU nicht nur die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt retten, sondern auch die Widerstandsfähigkeit der geschädigten Lebensräume wieder herstellen. Denn eine gesunde Natur kann Hitzewellen, Dürreperioden, Überschwemmungen und sonstigen negativen Folgen des Klimawandels leichter überstehen. Rund 20 Prozent der Landes- und Meeresflächen sollen als natürliche Lebensräume wiederhergestellt, um die sinkende Biodiversität – also das Aussterben von unzähligen Tier- und Pflanzenarten – zu stoppen.

Konkrete Ziele des Naturschutzabkommens:

    1. Wiederherstellung von 25.000 Km freifließender Flüsse: Nur 40 Prozent der europäischen Gewässer sind schätzungsweise in einem guten Zustand. Nicht-nachhaltige Landwirtschaft, Wasserkraft, Dämme und Schifffahrt gelten als die Hauptbelastungen. 
    2. Schutz und Wiederherstellung der Artenvielfalt der Wälder: Etwa 90 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten der Welt sind in Wäldern zu Hause. Der Wald ist damit das Ökosystem mit der höchsten Biodiversität. Zusätzlich speichert er CO₂ und reinigt die Atemluft. 
    3. Verbesserung der Lebensqualität in Städten: Große Städte sollen mehr begrünt werden: d.h. mehr Parks, Bäume und Pflanzen im Stadtgebiet. Das senkt die Temperatur, den Energieverbrauch durch Kühlanlagen und trägt somit zum Klimaschutz bei.

Die EU möchte ihren Mitgliedsstaaten dafür rund 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Europäische Volkspartei (EVP) ist gegen das Gesetz

Nach monatelangen Verhandlungen zog die Europäischen Volkspartei (EVP) überraschend ihre Zustimmung zum Gesetz zurück. Und das, obwohl schon im Vorhinein auf die Bedenken bzw. Wünsche der EVP eingegangen wurde. Sowohl was die Nahrungssicherheit betrifft, als auch den Ausbau von Erneuerbarer Energie. Auch die Sorge um Land-Enteignungen sind nichts als Panikmache vonseiten der EVP, da das Gesetz lediglich bereist bestehende Schutzgebiete retten, aber keinen neuen erschließen möchte. 

„Das ist Arbeitsverweigerung und unverantwortlich. Tatsächlich wurden alle Bedenken der Europäischen Volkspartei, auch in Bezug auf Ernährungssicherheit und Erneuerbare Energien, im Kompromisstext berücksichtigt. Ich appelliere jetzt an die Vertreter:innen der EVP: Schieben wir die Hysterie beiseite, arbeiten wir gemeinsam an einer Lösung.” Andreas Schieder, S&D Delegationsleiten.

Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur ist ein wesentlicher Bestandteil des Green Deal. Nur so kann Europa die Klimaneutralität erreichen und den Klimavertrag von Paris – die Begrenzung der Erderhitzung auf die notwendigen 1,5° C – einhalten. Nur kann es eine nachhaltige und zukunftssichere Lebensmittelversorgung in der EU geben.