Ausnahmen der EU-Kommission für „Small Mid-Caps“ untergraben zentrale EU-Standards
Heute stellt die EU-Kommission ihr viertes sogenanntes „Omnibus-Paket“ im Rahmen des Wettbewerbskompasses vor. Im Zentrum steht die Einführung einer neuen Unternehmens-Kategorie: die sogenannten „Small Mid-Caps“. Unter dem Schlagwort des Bürokratieabbaus sollen zentralen EU-Regeln künftig für Unternehmen mit 250 bis 750 Beschäftigten deutlich abgeschwächt werden, etwa im Bereich des Lieferkettengesetzes, der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Taxonomieverordnung. SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner, Mitglied im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie im Wirtschafts- und Währungsausschuss, hat das Lieferkettengesetz mitverhandelt und übt scharfe Kritik an den Plänen der Kommission: „Mit dem vierten Omnibus-Paket hat sich die EU-Kommission im Deregulierungs-Labor eine neue Unternehmenskategorie zusammengebraut: die sogenannten ´Small Mid-Caps´. Dabei handelt es sich um Unternehmen mit 250 bis 750 Beschäftigten, die somit größer sind als klassische Kleinbetrieb. Nach den Plänen der EU-Kommission sollen zentrale EU-Vorgaben für diese neue Unternehmensgruppe, die etwa 40.000 Firmen umfasst, künftig nur noch in abgeschwächter Form gelten. Betroffen sind unter anderem Vorschriften, die Unternehmen zu ernsthaftem Umwelt- und Klimaschutz, fairen Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette und transparenter Berichterstattung über soziale und ökologische Auswirkungen verpflichten. Was die Kommission hier plant, ist brandgefährlich. Dass kleine Betriebe nicht in Bürokratie ersticken dürfen, bleib unbestritten. Wer mit wenigen Mitarbeiter:innen arbeitet und keine eigene Rechtsabteilung im Rücken hat, braucht verständliche und umsetzbare Regeln statt komplexe Regulierungen. Deshalb wurden Kleinst- und Mittelbetriebe in vielen Bereichen bereits gezielt entlastet. Doch ein Unternehmen mit 750 Beschäftigten lässt sich beim besten Willen nicht mehr mit einem kleinen Familienbetrieb vergleichen. Diese Unternehmen haben bereits oft internationale Geschäftsbeziehungen, große Marktanteile und entsprechende Ressourcen. Wenn wir jetzt beginnen, auch diese Betriebe systematisch von zentralen Regeln auszunehmen, drohen unsere hart erkämpften Verhandlungserfolge zu zahnlosen Tigern zu verkommen.“
Evelyn Regner ergänzt: „Das europäische Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung sind kein bürokratischer Selbstzweck. Sie sind zentrale Instrumente, um sicherzustellen, dass europäische Unternehmen Verantwortung übernehmen dafür, dass kein Kind in Minen schuften muss, Menschen Löhne erhalten, von denen sie wirklich leben können und unsere Umwelt nicht rücksichtslos zerstört wird. Es geht um Würde, um Gerechtigkeit und letztlich um die Frage, wofür Europa stehen will. Für mich ist klar: Ja zu weniger Bürokratie, aber nicht auf dem Rücken von Mensch und Natur.“