Europäische Konservative führen extreme Rechte an die Macht. Ein gefährliches Spiel mit hohem Einsatz

Foto: Dragan Tatic/ BKA
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Die Brandmauer gegen Rechts hält nur, wenn sich alle demokratischen Kräfte daran beteiligen. Sonst geraten in Europa Demokratie und Rechtsstaat zunehmend in Gefahr. Die jüngsten Beispiele aus Schweden, Italien und auch Österreich zeigen: Konservative suchen für den eigenen Machterhalt den Schulterschluss mit der extremen Rechten. Ein gefährliches Spiel mit hohem Einsatz.

Von Iratxe García Pérez, Vorsitzende der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokrat:innen im Europäischen Parlament, und Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ im Europäischen Parlament

Es war ein gruseliges Bild, das dieser Tage von Budapest aus in die europäischen Hauptstädte gesendet wurde. Es wurde zum Migrationsgipfel geladen. Und da stehen dann drei Männer mit finsterer Miene, stramm vor akkurat an der Rückwand drapierten Fahnen und warnen vor den Gefahren der illegalen Migration in Europa.

Während vermeintliche oder reale Flüchtlingswellen der ÖVP seit Jahren als Ablenkungsmanöver dienen – ganz aktuell werden die Ermittlungen im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss immer unangenehmer und die Regierung versagt, Bevölkerung und Unternehmen angesichts explodierender Preise zu entlasten – lässt die Auswahl der Gesprächspartner, die sich der österreichische Bundeskanzler Nehammer da ausgesucht hat, tief blicken. Es sind die Spitzenvertreter des europäischen Illiberalismus, der serbische Präsident Aleksandar Vučić und der ungarische Premier Viktor Orbán.
Wer auf Einladung dieser Leute über den Teppich schreitet, der muss sich auch die Frage gefallen lassen: Gilt die beschworene Einheit auch mit Blick auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Der Verdacht liegt nahe, hier wird mit Ängsten und Vorurteilen Politik gemacht, um von eigenen Problemen abzulenken. Und ganz nebenbei noch eine autoritäre Politik normalisiert, die im krassen Gegensatz zu europäischen Grundwerten steht.

Die langsame Zersetzung des demokratischen Systems: Zuerst Polen und Ungarn, dann Schweden und Italien?

Natürlich ist es schwer vorstellbar, dass sich in einem Land in Europa ein plötzlicher Staatsstreich ereignet. Aber eine langsame Zersetzung des demokratischen Systems, die scheibchenweise Aushöhlung der Gewaltenteilung oder die schleichende Einschränkung der Pressefreiheit. Das ist keine nur denkbare Möglichkeit, sondern wird von einzelnen Regierungen in der EU bereits heute praktiziert.

Wir beobachten dieses Phänomen in Polen und Ungarn und mit der extremen Rechten als Teil der nächsten Regierungen in Schweden und Italien könnte man sich auch dort bald an diesen autoritären Vorbildern orientieren. Es stellt sich die Frage, wie kann man Parteien und politische Bewegungen als gleichwertige politische Mitbewerber akzeptieren, wenn diese sich nicht an grundlegende Spielregeln von Demokratie und Rechtsstaat halten? Wenn sie die Macht der Institutionen missbrauchen, um die Freiheit in ihrem Land einzuschränken, das System der „checks and balances“ unterwandern, den Zugang zu Informationen beschränken und Kritiker:innen mundtot machen?

Die Konservativen öffnen dem Rechtsextremismus Tür und Tor

Traditionelle konservative Parteien scheinen sich um diese Fragen wenig zu scheren und auch dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, bereiten sie offenkundig wenig Sorgen. Man öffnet dem Rechtsextremismus Tür und Tor und entfernt sich damit von einem gemeinsamen Verständnis demokratischer Kräfte in Europa. Dem gemeinsamen Nachkriegsverständnis einer demokratischen Allianz auf dessen Grundlage sich auch die heutige EU gründet und deren Werte in den Europäischen Verträgen und der EU-Grundrechtecharta Entsprechung finden.

Warnendes Beispiel Österreich

Wohin die Aufgabe dieses gemeinsamen Verständnisses letztlich führen kann, dafür gibt es viele Beispiele. In Österreichs jüngerer Vergangenheit hat es die Volkspartei zweimal mit der extremen Rechten versucht. Beide Regierungen sind krachend gescheitert und werden die Korruptionsermittler:innen noch beschäftigen.

Foto: Screenshot SZ/Spiegel

Der ungarischen Fidesz hat die Europäische Volkspartei jahrelang die Stange gehalten und damit Orbáns autoritären Staatsumbau legitimiert. Und in Italien und Schweden liegt es wiederum an den Konservativen, wenn dort bald Rechtsextreme, Faschisten und Demokratiefeinde regieren. Für den eigenen Machtanspruch haben sich gemäßigte Parteien mit der postfaschistischen Fratelli d’Italia und den rechtsextremen Schwedendemokratien verbündet, man nimmt den Schaden an Demokratie und Rechtsstaat in Kauf. Ein gefährliches Spiel mit hohem Einsatz. Ausgang ungewiss.

Es geht um Grundwerte: Konservative sollen Lehren aus zwei Weltkriegen ziehen

In der aktuellen Zeit der sozialen Krisen wird Politik zunehmend komplizierter und wir müssen unser demokratisches Fundament noch stärker gegen Angriffe von innen verteidigen. Dazu bekennen wir uns als Sozialdemokratie, dazu müssen sich aber auch weiterhin konservative, christdemokratische und liberale Parteien der EU und ihren Grundwerten verpflichtet fühlen. Trotz aller politischen Unterschiede müssen wir zusammenarbeiten. Das ist die Lehre, die Europa aus der Verheerung zweier Weltkriege gezogen hat. Beschützen wir unsere Demokratie, bevor es zu spät ist – bevor wir zerkochen, wie ein Frosch im heißen Wasser!