Ein verpflichtendes Mindesteinkommen ist der Schlüssel zur Armutsbekämpfung

Momentan sind für die soziale Absicherung der Menschen die jeweiligen EU-Staaten verantwortlich. Staaten helfen mit einem sogenanntes Mindesteinkommen aus, das von Land zu Land sehr unterschiedlich ist. Oftmals liegt die Höhe des Mindesteinkommens unterhalb der Armutsgrenze oder Betroffene haben keinen Anspruch darauf. Um das zu ändern, fordert das EU-Parlament jetzt eine verpflichtende Rechtsvorschrift.

EU-weit gibt es schätzungsweise 95 Millionen Menschen, die von Armut betroffen oder zumindest gefährdet sind. Menschen, die Probleme haben, die Miete zu zahlen, oder die Rechnungen am Ende des Monats nicht mehr begleichen können. Menschen, die nicht genug zu essen haben oder ständig um das Nötigste bangen müssen. Kurz gesagt: Menschen, die Hilfe brauchen. 

In den meisten EU-Staaten kommt die Hilfe in Form eines Mindesteinkommens. Je nach Land variiert dieses jedoch stark. Deswegen hat das EU-Parlament jetzt einen Vorschlag für ein einheitliches Mindesteinkommen vorgelegt. Das Parlament fordert u. a. eine verpflichtende Rechtsvorschrift.  

“Eine solche Regelung ist der Schlüssel zur Armutsbekämpfung” so Agnes Jongerius, die beschäftigungspolitische Sprecherin der S&D-Fraktion. 

Ein einheitliches Mindesteinkommen für alle Menschen

Das Mindesteinkommen ist eine staatliche Leistung, die Personen vor Armut und soziale Ausgrenzung schützen soll. Das Mindesteinkommen ist oft das letzte Mittel des Sozialschutzes. Dies kann in Form von Barzahlungen für Lebenshaltungskosten, Unterstützung bei der Jobsuche oder Hilfe beim Beantragen von Sozialleistungen geschehen. Die Unterstützung ist in der Regel an bestimmte Kriterien geknüpft, z. B., an die Staatsangehörigkeit oder eine Bedürftigkeitsprüfung.

Im jetzigen System liegt die Verantwortung dafür bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. Dabei kommt es oftmals zu folgenden Mängeln:

  1. Die Höhe des Mindesteinkommens liegt in den meisten EU-Ländern unterhalb der Armutsgrenze. EU-weit schwankt sie zwischen 20 und 80 Prozent der jeweiligen Armutsgrenzen.
  2. Im Durchschnitt haben knapp 35 Prozent der von Armut betroffenen Menschen keinen Anspruch auf die Hilfen.
  3. Die Betroffenen wissen nicht, dass sie ein Recht auf die Leistungen haben. 

Eine verpflichtenden EU-Rechtsvorschrift könnte das ändern.  

Ziel bis 2030: 15 Millionen Menschen aus der Armut helfen 

Das Mindesteinkommen ist ein Schlüsselprinzip der europäischen Säule sozialer Rechte. Das ist ein Programm zur Stärkung der sozialen Gerechtigkeit in der EU. Evelyn Regner, Gewerkschafterin und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments sagt: „Ein angemessenes Mindesteinkommen in Zeiten sozialer und wirtschaftlicher Krisen ist sehr wichtig! Es darf nicht sein, dass sich in einem reichen Gemeinschaft wie der EU, Menschen zwischen Heizen und Essen entscheiden müssen!“.  Eine verpflichtende Rechtsvorschrift würde bis 2030 rund 15 Millionen Menschen aus der Armut holen. 

Armut führt zu sozialer Ausgrenzung

Obdachlosigkeit, kaputte Kleidung und Hunger sind nur die offensichtlichsten Folgen von Armut. Weit weniger sichtbar sind die psychischen Belastungen. Denn wer sich ständig Sorgen machen muss, wie es am nächsten Tag weiter geht, läuft Gefahr ernsthaft krank zu werden. 

Wer arm ist, befindet sich häufig im Dauerstress: Wie bezahle ich die Miete? Wie die Heizkosten? Was tun, wenn die Waschmaschine morgen kaputtgeht? Woher nehme ich das Geld für die Schulausfahrt meiner Kinder? Der Körper und die Psyche haben kaum noch Zeit, sich zu erholen. 

Hinzu kommen Selbstzweifel, Selbstwertkrisen oder die Scham versagt zu haben. Betroffene neigen dazu, sich aus der Gesellschaft zurückzuziehen.

*** Das Mindesteinkommen ist nicht mit Mindestlöhnen für Arbeitnehmer*innen zu verwechseln