EU-Parlament will europäische Betriebsrät:innen stärken, um die Interessen der Beschäftigten besser durchzusetzen
Das EU-Parlament will die Richtlinie zu den “Europäischen Betriebsräten” verschärfen, denn die aktuelle Fassung von 2009 entspricht nicht mehr der heutigen Arbeitswelt. Große Konzerne nutzen Rechtslücken aus, um die gewerkschaftliche Arbeit der Betriebsräte zu blockieren. Entscheidungen von internationalem Ausmaß werden getroffen, ohne dabei auf die Interessen der Beschäftigten zu achten. Das liegt vor allem an zu geringen Geldstrafen bei Verstößen und einer nicht einheitlichen Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen EU-Saaten.
Betriebsrat*innen vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber den Arbeitgeber:innen. Der Rat verhandelt etwa über Arbeitszeiten, Schichtpläne oder die Überstundenregelung. Dabei verhandeln die Betriebsrät:innen immer nur mit den nationalen Arbeitgeber:innen.
Bei großen europäischen Konzernen werden Entscheidungen jedoch in den Hauptquartieren über nationale Grenzen hinweg getroffen. Die einzelnen nationalen Betriebsräte haben zum internationalen Management meist keinen Zugang. Deswegen gibt es seit 1994 europäische Betriebsräte (EBR).
“Europäischen Betriebsräte”: Die Richtlinie wurde seit 2009 nicht angepasst
Europäische Betriebsrät:innen vertreten die Interessen der Beschäftigten gegenüber Konzernen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind. Ganz ähnlich wie ein nationaler Betriebsrat, nur eben auf europäischer Ebene. Die Richtlinie wurde zuletzt 2009 angepasst. In den letzten 14 Jahren hat sich die Arbeitswelt jedoch gravierend verändert.
Gerade die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass die ehemaligen Regeln nicht mehr ausreichen. Die vielen Umstrukturierung oder Anpassungen an die neue Realität wurden zumeist über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entschieden und umgesetzt, ohne dass sie angehört wurden oder mitentscheiden konnten. Dabei wurden die europäischen Betriebsräte teilweise komplett übergangen. Woran liegt das?
Das Problem: Kaum Geldstrafen und keine einheitliche Umsetzung der Richtlinie
Grundsätzlich haben europäische Betriebsräte ein Recht auf Unterrichtung. So müssen die Führungen der internationalen Konzerne den EBR über etwaige Veränderungen und Maßnahmen informieren – zumindest in der Theorie. Denn in der Praxis passiert das recht selten.
Denn das Management großer Konzerne informiert die europäischen Betriebsrät:innen oft gar nicht oder einfach erst viel zu spät. Sie blockieren die gewerkschaftliche Arbeit oder verhindern gar die Gründung eines Rates, indem sie sich auf Vertraulichkeitsklauseln berufen. Aber wie kann das sein?
Dafür gibt es drei Gründe:
- Es gibt kaum rechtliche oder finanzielle Folgen. Die Geldstrafen sind so niedrig, dass sie internationale Konzerne mit Milliardenumsätzen nicht abschrecken. In Malta etwa kostet ein Verstoß 23 Euro pro Mitarbeiter:in. In Litauen 30 Euro.
- Es gibt keine einheitliche Umsetzung der Richtlinie in den einzelnen EU-Staaten. Konzerne können ihre Hauptsitz einfach in einen EU-Staat verlegen, in dem die Richtlinie nur mäßig effektiv umgesetzt wurde.
- Die Konzerne sind rechtlich (noch) nicht verpflichtet, die Position der EBRs miteinzubeziehen.
Darunter leiden vor allem die Beschäftigten, da ihre Interessen und Bedürfnisse nicht berücksichtigt werden.
„Aktuell zahlen Unternehmen mehr, wenn sie sich nicht Datenschutzrichtinien-konform verhalten, als wenn sie das Mitbestimmungsrecht von Arbeitnehmer*innen und deren Vertreter*innen nicht respektieren. Das kann doch nicht unser soziales Europa sein!“ Evelyn. Regner, Vizepräsidentin des EU-Parlaments.
EU-Parlament will Richtlinie verschärfen und die Vertraulichkeitsklauseln abschwächen
Um die Interessenvertretung der Beschäftigten zu stärken, hat das EU-Parlament nun einen Vorschlag zur Anpassung der Richtlinie gemacht. Folgende drei Punkte sollen verschärft werden:
- Vertraulichkeitsklauseln ändern, damit sie nicht missbraucht werden kann, um die gewerkschaftliche Arbeit zu behindern.
- Wirksamere Geldstrafen bei Verstößen.
- Unternehmen müssen die EBR früh genug in alle relevanten Entscheidungen miteinbeziehen.