Im Zuge der Katargate-Enthüllungen hat die sozialdemokratische Fraktion im europäischen Parlament beschlossen, die Korruption in den europäischen Organen zu beenden. Es braucht eine Nulltoleranz-Politik gegenüber Korruption und politischer Einflussnahme in Europa. Wir wollen äußerst strenge Konsequenzen! Dafür haben wir 15 konkrete Reformvorschläge erarbeitet.
Folgende erste Schritte sind wichtig:
- Sicherstellung, dass die geltenden Transparenz- und Ethikregeln, zu denen auch der Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments zählt, vollumfänglich eingehalten werden
- Schließung von Schlupflöchern durch die Verbesserung der bestehenden Maßnahmen und die Einführung strikter neuer Regeln und neuer Gremien
- Schaffung einer Kultur echter Transparenz und Rechenschaftspflicht im Europäischen Parlament
Die vorgeschlagenen Maßnahmen und Verfahren fußen auf der Entschließung „Korruptionsverdacht gegen Katar“ vom 15. Dezember 2022 und enthalten sowohl kurz- als auch mittelfristige Maßnahmen, die über andere derzeit erörterte Reformvorschläge hinausgehen. Wir sind entschlossen, durch erhöhte Rechenschaftspflicht und Transparenz, die bessere Unterrichtung der Öffentlichkeit und schärfere Kontrollen künftige Straftaten zu verhindern, den schädlichen Einfluss von Lobbyisten einzudämmen und die politische Einflussnahme zu beenden.
Wir bekennen uns voll zu seriösen und konkreten Reformen im Europaparlament und in den anderen EU-Organen, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wiederzugewinnen und die europäische Demokratie zu schützen. Die S&D-Fraktion wird, während sie die Entscheidung des gesamten Parlaments abwartet, die Maßnahmen, soweit von ihrer Seite möglich, direkt umsetzen.
„Es muss sowohl für Abgeordnete als auch für Organisationen, die mit dem EU-Parlament zusammenarbeiten, zukünftig strengere Regeln geben. Das geht von der Offenlegung von Vermögenswerten der Abgeordneten über die verpflichtende Publikation von Meetings sowie zusätzliche Rechenschaftspflichten für Organisationen auf dem Transparenzregister.“
Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament
Unser 15-Punkte-Plan gegen Korruption
Erhöhung der Transparenz:
1. Stärkung und Ausweitung des Schutzes für Whistleblower unter den Bediensteten! Gleichzeitig ist eine dringende Überarbeitung von Artikel 22c des Beamtenstatuts erforderlich, um diesen auf die Whistleblower-Richtlinie abzustimmen.
2. Unverzügliche Einrichtung eines Ethikgremiums zur Überprüfung der Organe und Agenturen der EU. Die Kommission hat sich 2019 hierzu verpflichtet und sie wurde vom Europäischen Parlament 2021 in einer Entschließung daran erinnert. Sanktionen kommen zur Anwendung, wenn die Abgeordneten die Ethikregeln und Bestimmungen missachten. Zu den Sanktionen muss auch die Option von Geldstrafen gehören.
3. Einsetzung eines Sonderausschusses zu Integrität, Transparenz und Korruption im Europäischen Parlament, der die internen Verfahren analysiert und sich vor allem mit der politischen Einflussnahme durch Lobbyisten und Drittländer befasst und dem Plenum vor dem Sommer 2023 Bericht erstattet. Eine administrative Taskforce, wie kürzlich vorgeschlagen, ist nicht ausreichend.
4. Striktere Anwendung der in der Interinstitutionellen Vereinbarung über das Transparenz-Register enthaltenen Bestimmungen:
a) Sicherstellung, dass alle Zusammenkünfte von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, von akkreditierten parlamentarischen Assistentinnen und Assistenten und von Bediensteten mit Vertretern von Dritten ausschließlich gemäß den Bestimmungen des EU-Transparenz-Registers stattfinden. Zu diesem Zweck sollte das Europäische Parlament verpflichtende Anti-Korruptions- sowie Transparenzschulungen für Abgeordnete, akkreditierte parlamentarische Assistentinnen und Assistenten und Bedienstete durchführen.
b) Einziehung der parlamentarischen Zugangsausweise von Lobbyisten und Vertretern von Drittstaaten, deren Organisationen bzw. Länder Ermittlungen unterliegen.
5. Regelmäßige Überprüfung der Finanzströme an und von Organisationen, die im Transparenz-Register aufgeführt sind.
Erhöhung der Rechenschaftspflicht:
6. Uneingeschränktes Verbot von „Freundschaftsgruppen“ mit Drittländern. Drittländer müssen über parlamentarische Ausschüsse und Delegationen mit dem Europäischen Parlament kommunizieren.
7. Überprüfung und Bewertung der Funktionsfähigkeit der interfraktionellen Arbeitsgruppen im Europäischen Parlament und Schaffung vollständiger finanzieller Transparenz, zu der auch die jährliche Offenlegung aller finanziellen Zuwendungen an diese Gruppen gehört.
8. Verbot von Reisen von Abgeordneten, akkreditierten parlamentarischen Assistentinnen und Assistenten und Bediensteten, die von Drittländern oder dem Privatsektor bezahlt werden.
9. Verbot für Abgeordnete, Geschenke im Wert von mehr als 100 Euro zu behalten.
Bessere Unterrichtung der Öffentlichkeit:
10. Änderung des Abgeordnetenstatuts, damit ein detailliertes öffentliches Pflichtregister mit jährlichen Vermögens- und Einkommenserklärungen angelegt werden kann, das Verifizierungen und die Suche nach Einträgen erlaubt.
11. Verpflichtung aller Abgeordneten akkreditierten parlamentarischen Assistentinnen und Assistenten sowie Beschäftigten der Fraktionen und des Europaparlaments zur Veröffentlichung aller anberaumten Treffen mit Lobbyisten und Interessenvertretern.
Für Treffen mit gefährdeten Personen (etwa schutzsuchenden Menschen)werden besondere Regeln festgelegt, um deren Sicherheit zu gewährleisten.
12. Überprüfung aller Akkreditierungsverfahren für den Zugang zum Gelände des Europäischen Parlaments. Einrichtung einer Zugangsliste für alle, die das Gelände des Europäischen Parlaments betreten, mit Angaben zu den Gründen, den Gesprächspartnern und dem Umfang des Besuchs.
Verschärfung der Kontrollen:
13. Das neue Ethikgremium muss mit Blick auf Nebenjobs von Abgeordneten etwaige Unvereinbarkeiten mit deren Mandat bewerten und Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz und Rechenschaftspflicht machen, um Interessenkonflikte zu verhindern.
14. Entzug aller Privilegien ehemaliger Abgeordneter, die sich einer Lobbyorganisation anschließen.
15. Einführung einer Karenzzeit für Abgeordnete am Ende ihrer Amtszeit: 24 Monate, wenn Lobbytätigkeiten aufgenommen werden, bzw. für die Dauer der Übergangsvergütung, wenn eine neue Tätigkeit aufgenommen wird. Um etwaige Interessenkonflikte zu vermeiden, müssen ehemalige Abgeordnete das Europäische Parlament entsprechend informieren. Während der Karenzzeit muss jedwede neue Tätigkeit vom Parlament genehmigt werden.